Ich hielt mich für einen Hengst, für unwiderstehlich. Ich kochte für ein Mädl, und sie wollte mehr. Und ich rede nicht vom Essen. Es musste meine Ausstrahlung sein, mein Lächeln, mein Witz, mein … was weiß ich, einfach zum Verlieben halt. Und dann? Dann musste ich lesen, das alles läge nur an den Chilischoten, mit denen ich so gerne meinem Essen den letzten Touch gebe. Denn Scharf macht geil. So stand’s geschrieben, so haben’s Wissenschaftler fest- und mich damit bloßgestellt. |
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Nicht ich mache die Mädls scharf, muss ich erkennen, meine Chilischoten erledigen das. In dem Moment, in dem wir auf die scharfe Frucht beißen, registriert der Körper den Schmerz und schüttet Unmengen an Endorphinen aus, um dem Schmerz Glücksgefühle entgegenzustellen. Und diese Glücksgefühle interpretieren wir unterbewusst gerne falsch. Sie machen uns geil! Männlein wie Weiblein. PAH! WEN, BITTESCHÖN, INTERESSIERT DENN DAS? Mir ging’s doch immer nur ums Aroma!!! 😉 |
Schärfe ist kein Geschmack, nirgendwo auf der Zunge, am Gaumen, in der Nase, wo eigentlich der Geschmack entsteht; nein, Schärfe ist ein Schmerz, ein Gefühl, eine Empfindung, und auch, wenn wir gerne sagen, uns „schmeckt“ scharfes Essen, nein, schmecken tut man Schärfe nicht. Das bedeutet aber keinesfalls, dass scharfe Zutaten nicht nach etwas schmecken würden, eine unglaubliche Vielfalt an Aromen entspringt den scharfen Früchten (und NUR wegen dieser Aromen essen wir scharf, keineswegs, um irgendjemandem zu imponieren) und wer diese für sich zu nutzen weiß, wird neben den Glücksgefühlen durch die Endorphine auch seinen Geschmacksnerven Freude bereiten können. |
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SCHARF |
Seit der heimisch verfügbare Variantenreichtum über uns hereingebrochen ist, gibt es auch den Schärfewahn. Es gibt richtige Chilimaniacs, die den ultimativen Kick durch die schärfsten Gerichte suchen, dabei ihre Schmerzneurosen ausleben oder auch einfach nur glauben, Schweißperlen auf der Stirn wären ideal geeignet, dem anderen Geschlecht zu imponieren. Wettbewerbe werden durchgeführt, wer isst wie scharf, wie viel, wie lang kann man eine Schote kauen ohne sie auszuspucken, vieles habe ich schon gehört, gesehen und – ganz ehrlich – auch mitgemacht. |
Ein Giftgasangriff lähmte unsere Lungen, jeder begann zu husten, die Lüftung hatte keine Chance, überall brannten die Augen, nicht nur in der Küche, im ganzen Lokal suchten verdatterte und verzweifelte Menschen nach der Ursache dieser plötzlichen Attacke. Todesmutig blieb ich am Herd, röstete die Schoten von allen Seiten, nahm sie aus dem Topf, um darin die Sauce zu bereiten. Ich röstete Zwiebel im scharfen Öl, löschte mit einem Liter Kokosmilch den Flächenbrand, reduzierte sie ein und vervollständigte mit einer Dose Tomaten, die ich zuvor ordentlich zerstampft hatte. Ein paar dünne Streifen Limettenblätter sollten die Sauce säuerlich erfrischend abrunden. Endlich landete der Topf mit Deckel im Rohr, und ich konnte in den Garten gehen, um Luft zu schnappen. Ich entschuldigte mich bei meinen Gästen und gab eine Runde aus, erzählte von dem Essen, und schon meldeten sich ein paar vorlaute Mutige zum Testen. Dieses Gericht MUSSTE einfach göttlich werden, denn wenn man solche Qualen auf sich nimmt, soll gefälligst auch was rausschauen. |
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Eine Stunde schmurgelten die Früchte bei mittlerer Temperatur. Dann nahm ich den Topf heraus. Als ich den Deckel hob, eröffnete sich mir eine aromatische Duftwolke, wie ich sie mir schöner nicht hätte vorstellen können. Ich nahm einen Löffel und kostete die Sauce. Autsch! Heiß, nein … scharf, nein … heiß …! Ich nahm ein paar Körner Salz und kaute sie. Als erfahrener Chilikoster kann ich euch sagen, es gibt nichts Klügeres, wenn ihr einmal zu viel des Guten erwischt habt. Der Unerfahrene greift zu Wasser oder Bier und macht alles schlimmer, der Erfahrene nimmt Milchprodukte, ein Mangolassi, ein Ayran oder einfach einen Löffel Joghurt oder Sauerrahm. Der Wissende lutscht ein paar Körner Salz, das lindert wirklich die spontane Empfindung. (Tipp!) Ein paar Minuten später traute ich mich noch mal zu kosten, und es war ein Traum. Ich hatte ein neues Gericht erfunden, und ich nannte es „Die Mutprobe“. |
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Abends, langsam findet sich die Gesellschaft ein und stelle dem Millionenshow-Protagonisten die Frage: Wie viele Stück hättest denn gerne von der Mutprobe? „Drei“ war die schnelle Antwort. Ich war nicht so mutig, ich nahm mir zwei, die Portionen ausgestattet mit einer mächtigen Menge Siam-Reis, und wir begannen zu essen. Was soll ich sagen, der erste Biss war ein Schock für den Mund, der 2. ein elektrischer Schlag ins Hirn, doch der dritte, als dem Körper kein zusätzlicher Schmerz mehr zuzufügen war, entfaltete ein unvergessliches Aroma. Wir aßen unsere Portionen still, glücklich und – nass vom Schweiß. Es wurde ein langer, lustiger, feucht-fröhlicher Abend, und in unseren Augen blitzte der Schalk. Und wenn die Wissenschaftler Recht haben mit ihrer Theorie, dann wundert’s mich nicht, dass ich in den folgenden Tagen nichts gehört habe von meinem Freund und seiner Frau. 😉 Ich hingegen aß noch einen zum Frühstück, ganz für mich allein. Ach ja, wenn Ihr zu Hause scharf kocht, dann hätte ich noch einen wichtigen Tipp für Euch. Volles Aroma, aber nur den halben Schmerz bekommt ihr, indem Ihr die Schoten entkernt. Tut euch und euren Lieben einen Gefallen: Bei der Arbeit mit Chilischoten sollte man Handschuhe anhaben, denn die Säure geht manchmal tagelang nicht von den Fingern, und so mancher Ort, an dem Finger landen, reagiert höchst empfindlich auf diese Säure. (Tipp!) Zuerst erscheinen auf freshandtasty.at im Jänner 2006 Pics: Andreas |