Pici – die handgerollte Spaghetti

Irgendwann Mitte der 90er plante ich mit meiner damaligen Lebensgefährtin einen Ausflug in die Toskana. Wir fuhren nirgends unvorbereitet hin und so las ich viel, natürlich auch kulinarische Tipps für die Region. Schon damals machte ich meine Pasta häufig selbst und so war klar, dass wir unbedingt die angebliche regionale Spezialität verkosten würden müssen. Eine handgerollte Nudel namens Pici. Ihre Besonderheit ist die wechselnde Konsistenz aufgrund der ungleichmäßigen Dicke der Nudel, was in verschiedenen Texturen in einer einzigen Nudel mündet. Typisch für frische Nudeln ist ein raues Äußeres, was ihr die Eigenschaft verleiht, viel Sauce aufnehmen zu können.

In Florenz angekomen fragten wir in radebrechendem Italienisch, wo man denn Pici bekommen könne. Als Antwort schickte man uns in eines meiner schönsten kulinarischen Erlebnisse, ins Il Cibreo, dessen Chef zwar nicht Pici, aber ganz ähnlich Picchi hieß. Picchi betrieb mit seinem Il Cibreo eine kulinarische Welt. Aus einer Küche mit zwei Pässen bespielte er in die eine Richtung ein Gourmetrestaurant, mit großen, schön gedeckten Tischen, reichlich Personal, von der Speisekartenvorleserin bis zum Bröselkehrer, großen, schön angerichteten Tellern und einer klaren Anweisung: 18:00 kommen, 20:30 gehen, damit die zweite Sitzung beginnen möge.

Die Gänge hatten jeweils den selben Preis. Ob es als Fleischgericht Kutteln oder Steak gab, war egal. Was beim einen mehr Wareneinsatz bedeutet, benötigt das andere mehr Arbeitszeit. Eine Kalkulation, die ich fortan immer für unübertroffen hielt.

Auf der anderen Seite der Küche war eine Trattoria mit einem großen Tisch, an dem ein Kommen und Gehen herrschte und man mit wildfremden Menschen gemeinsam aß, das selbe Essen wie im Restaurant, nur zu einem wesentlich günstigeren Preis. Während man im Restaurant den Tisch verlor, wenn man 5 Minuten zu spät kam, konnte man in de Trattoria gar nicht reservieren. Es war ein Platz frei (und meistens war da noch ein Platz frei, wo gar keiner mehr war, fast so wie beim seligen Herrn Hawelka) oder man wartete. Großartiges System. Und für alle, die dann noch immer keinen Platz fanden, gab es über den Platz ein Take Away, wo es so viele eingelegte und eingemachte Köstlichkeiten gab, wie man sich nur vorstellen kann.

Was es nicht gab, waren Pici, und auch sonst haben wir in Florenz keine mehr gefunden, was unter anderem daran lag, dass wir nach dem ersten Abend im Restaurant nur mehr in der Trattoria gegessen haben. Aber vergessen hab ich sie nie, die handgerollte Nudel und irgendwann zog sie ein in das Repertoire der unregelmäßig wiederkehrenden Lieblingsspeisen. Für die Pici braucht es einen etwas weicheren Nudelteig, und weil ich grad Spaß daran hatte, machte ich diesen diesmal rot, damit er gut zur Blutwurst passen möge, die ja beim garen ihre Farbe verliert, weshalb sie im Englischen zurecht Black Pudding heißt. Mein Teig für handgerollte Nudeln geht daher so:

300 g Durumweizenmehl
1 Ei
2 Eiklar (hab ich immer über, kann man aber durch ein weiteres Ei ersetzen)
70 ml Rote-Rüben-Saft

Zeit ist immer ein wichtiger Faktor, sobald man mit Weizen arbeitet. lieber länger kneten als zu kurz. Der Kleber ändert sich dabei. Die Küchenmaschine lasse ich mindestens 5 Minuten arbeiten. Dann lasse ich ihn rasten, meist einen ganzen Tag, in Folie gewickelt im Kühlschrank.

Am nächsten Tag rolle ich den Teig zu einer Platte aus. und weil der Teig erstens relativ weich ist und zweitens nicht besonders dünn ausgerollt werden muss, geht das gut mit einem Nudelholz und ohne Nudelmaschine, die aber den Dienst genausogut verrichtet. Stufe 1 reicht hierbei.

Diese Platte wird mit einem Pizzaschneider in 5 mm breite Streifen geschnitten und dann händisch ausgerollt, fertig ist die händisch ausgerollte Spaghetti namens Pici.

Weiter verarbeitet werden kann die Pici wie jede Spaghetti, sie ist ein großartiger Begleiter jeder Sauce. Ich habe sie heute mit Sauerkraut und Blunzn-Polpetti serviert und meinen Kinder hat’s gemundet, obwohl ich ihnen verraten habe, was sie da essen. Allerdings haben sie beide die Polpetti zuvor schon gekostet und für gut befunden. Für die Blunzn-Polpetti braucht Ihr Folgendes:

1 schönes Stück beste Blutwurst. 80 g pro Portion, hier ca 200 g in kleine Würfel geschnitten
1 Zwiebel in kleine Würfel geschnitten (brunoise)
2 Knoblauchzehen, fein geschnitten
1 sauren Apfel
Semmelbrösel
1 Ei (2 Dotter tun’s auch, dann habt ihr das Eiklar für den Teig)
Salz und Pfeffer aus der Mühle, Kümmel, Majoran
Öl zB vom Raps

In einer Pfanne das Öl erhitzen und den Zwiebel darin glasig dünsten. Dann die Äpfel zugeben und ein wenig heißer drehen. Blunzn dazugeben, würzen, kurz durchrühren, bis die Blutwurst warm wird und in eine Schüssel umleeren. Etwas abkühlen lassen, mit Eiern verrühren und mit Bröseln binden, bis sie eine Konsistenz haben, die beim Braten in der Pfanne nicht zerfällt. Auch diese masse kann man gut am Vortag vorbereiten.

Das Sauerkraut darf gerne ein wenig flüssiger gehalten werden.

Aus der Blunznmasse kleine Laberl drehen und in der Pfanne braten. die Pici in gut gesalzenem Wasser bissfest kochen, mit Sauerkraut verrühren und miteinander ein wenig fertig ziehen lassen. Gehackte frische Petersilie zugeben und auf einem Teller anrichten. Die Blunznpoletti auf den Nudeln verteilen.

Selbst meine Frau, die normalerweise ja nie sagt, dass ich koche, sondern ausschließlich davon spricht, dass ich die Küche schmutzig mache, ließ sich heute zu einem Kompliment hinreißen, dieses Gericht hätte man auch im besten Restaurant das Landes servieren können, dessen Name ich mir hier nicht anmaßen möchte zu schreiben. Es wäre bestimmt auch übertrieben, aber wenn meine beiden Kinder aufessen, muss es schon verdammt gut gewesen sein.


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